Während mehr Wohlstand für Erwachsene zu mehr Zufriedenheit führt, bedeutet er für Jugendliche oft mehr Stress – jedenfalls in reichen Ländern. Zu diesem Ergebnis kommen die deutschen Ökonomen Robert Rudolf und Dirk Bethmann von der Korea University in einer aktuellen Studie.
Den Zusammenhang der Ergebnisse stellten die Autoren mit Daten von fast einer halben Million 15-Jähriger aus 72 Ländern fest. Diese wurden im Rahmen von Schülerbefragungen aus der Pisa-Studie von 2018 gesammelt und kürzlich im "Journal of Happiness Studies" veröffentlicht. Die beiden Ökonomen sprechen von einem unbekannten Paradox, das wissenschaftlich bislang noch nicht bekannt gewesen sei: Anders als bei Erwachsenen, sinkt die Lebenszufriedenheit von Jugendlichen, wenn das Pro-Kopf-Einkommen zunimmt.
Die beiden Forscher schreiben in ihrer Studie, dass moderne wissensbasierte Ökonomien immer höhere Investitionen in Humankapital in frühen Lebensphasen erfordern. In (reicheren) Ländern, die einen höheren Bildungsstandard haben, sei gleichzeitig die Lernintensität höher, was schließlich zu einem höheren Stresslevel respektive zu geringerem Wohlbefinden bei den Jugendlichen führe. Hingegen seien in Ländern mit mittlerem Einkommen die Bildungsanforderungen ja tendenziell niedrigere und damit die Zufriedenheitswerte bei den Jugendlichen höher. Da es keine Daten aus Ländern mit sehr geringer Wirtschaftskraft gibt, tauchen diese in der Studie nicht auf.
Kooperation stärke das Wohlbefinden
In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gaben Robert Rudolf und Dirk Bethmann an, dass der Zusammenhang zwischen Wohlstand und Lebenszufriedenheit bei Erwachsenen sowie hohem Bildungsanforderungen und Lebensunzufriedenheit bei Jugendlichen in Deutschland sehr deutlich zu sehen sei: Erwachsene seien sogar zufriedener als erwartet und deutsche Jugendliche betont unzufriedener. Interessant ist für die Wissenschaftler auch das Phänomen, dass Jugendliche in der Türkei und Großbritannien – zumindest in der Befragungszeit – extrem unglücklich waren. Sie führen dies auf politische Ausreißer im Jahr 2018 zurück. Als Begründung nannten die Autoren im F.A.Z-Interview Erdogans zunehmenden Autoritarismus in der Türkei sowie den Brexit in Großbritannien.
Ein weiteres Ergebnis zeigt, dass Mädchen stärker von den hohen Anforderungen im Bildungswettbewerb betroffen seien als Jungen und sie mehr darunter leiden. Ein höheres Maß an Kooperation zwischen Mitschülern stärke hingegen das Wohlbefinden, während höherer Wettbewerb innerhalb von Schulen einen negativen Effekt auf die Zufriedenheit hat.
Zum „Journal of Happiness Studies“
Bericht in der F.A.Z.